Denkmalschutz und Stadterneuerung
 

zum Thema Wiederaufbau Innenstadt Dresden


Symposium in Dresden fordert mehr gesellschaftliche Diskussion:

Auf einem Symposium zum Thema "Denkmalerhaltung und Stadterneuerung" am 21. Juni 2001 in der Villa Salzburg in Dresden diskutierten die Deutsche StiftungDenkmalschutz und die Expertengruppe Städtebaulicher Denkmalschutz mit Fachleuten den aktuellen und ideellen Zusammenhang von Denkmalerhaltung und Stadterneuerung. Die Verknüpfung der scheinbar gegensätzlichen Aufgaben wurde als chancenreiche Möglichkeit gesehen, die Stadt im 21. Jahrhundert bürgernah, attraktiv und nachhaltig weiterzuentwickeln. In einer "Dresdner Erklärung" forderten die Teilnehmer neben der Fortsetzung der Städtebauförderung und der Stärkung der staatlichen undkommunalen Denkmalpflege die Förderung einer permanenten gesellschaftlichen Diskussion um die Entwicklung der Stadt.

Bonn/Dresden, den 6. Juli 2001

 

Dresdner Erklärung

Im Rahmen des von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der Expertengruppe Städtebaulicher Denkmalschutz veranstalteten Symposiums "Denkmalerhaltung und Stadterneuerung" und mit Bezug auf die vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen gestartete Initiative "Architektur und Baukultur" haben die anwesenden Vertreter aus Politik und Denkmalpflege, von Stiftungen, Vereinen, Verbänden und Hochschulen zusammen mit Architekten und Planern folgende Empfehlung verabschiedet.

1. Die historische Stadt sowie das baukulturelle und kulturelle Erbe sind als Zeugnisse der Geschichte unverzichtbar für die kulturelle Identität und Unverwechselbarkeit der Gesellschaft. Sie prägen den unmittelbaren Lebensraum der Bürger und tragen in hohem Maße zu ihrer Lebensqualität bei. Aus diesem Grund ist das kommunale Engagement zugunsten der Förderung von Stadtindividualitäten ausdrücklich zu unterstützen. Im Sinne der Rückgewinnung bzw. Vertiefung der kulturellen Topographie sollten Prioritäten gesetzt werden für zeitgemäße Funktions- und Nutzungsmischungen in den Altstädten.

2. Angesichts der tiefgreifenden wirtschaftlich-strukturellen Veränderungen und der normierenden Folgen neuartiger Technologien muß dem Schutz der Einzigartigkeit des Überkommenen als notwendigem Orientierungspunkt des modernen Menschen in einer globalen Welt hoher gesellschaftlicher Stellenwert eingeräumt werden.

3. Initiativen zu Denkmalerhaltung und Stadterneuerung bilden keine Gegensätze, reagieren vielmehr von unterschiedlicher Warte auf die notwendige Weiterentwicklung der europäischen Stadt. Im Sinne einer traditionsbewußten Zukunftsorientierung ist gesichts- und identitätslosen Retortenbauten und nicht ortsbezogener Allerweltsarchitektur eine Absage zu erteilen. Auch im Sinne der erforderlichen Schonung vorhandener Ressourcen ist der Erhaltung des Vorhandenen Priorität einzuräumen. Die im Rahmen der Weltkonferenz "Urban 21" (Juli 2000) formulierten Prinzipien von Nachhaltigkeit, verantwortungsbewußter Steuerung in den Kommunen, Subsidiarität, Bürgermitwirkung und Solidarität sind zu befördern.

4. An Denkmalpflege und Stadterneuerung gilt es, hohe Qualitätsmaßstäbe anzulegen. Der sich ausbreitenden Tendenz zu Wegwerfmentalität und "Wegwerfarchitektur" ist durch gezielte Aufklärungs- und Ausbildungsmaßnahmen, beginnend im Schulunterricht, genauso entgegenzuwirken wie der Verwischung der Grenzen zwischen Alt und Neu, Denkmalerhaltung und Rekonstruktionen. Lücken im historisch überkommenen Bestand sollen durch situationsbezogene, zeitgemäße Lösungen geschlossen werden. Der regelmäßige Gedankenaustausch zwischen Architekten und Denkmalpflegern sollte im Sinne einer Steigerung der Diskussionsfähigkeit befördert werden.

5. Der erfolgreiche Prozeß der Städtebauförderung mit dem Programmbereich Städtebaulicher Denkmalschutz ist auch im Interesse der Regionalstrukturpolitik dauerhaft auf hohem Niveau fortzuführen. Dabei ist Wert darauf zu legen, dass die Mittelstandsförderung im Rahmen der Steuerreform gestärkt wird.

6. Die staatliche und die kommunale Denkmalpflege müssen gestärkt und als unverzichtbare Partner in Architektur- und Stadtentwicklungsprozesse einbezogen werden. Eine Reform der staatlichen und kommunalen Denkmalpflege sollte den finanziellen und personellen Erfordernissen einer effizienten und bürgernahen Beratung Rechnung tragen. In diesem Sinne wird die Erklärung des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz vom November 2000 ausdrücklich unterstützt.

7. Um die notwendige Akzeptanz denkmalpflegerischer Maßnahmen sicherzustellen, sollten die Fachbehörden ressortübergreifend arbeiten und die öffentlichen Entscheidungsträger wie auch die Eigentümer oder sonstige beteiligte Institutionen und Vereine frühzeitig, ggf schon im Rahmen informeller Planungen, in die Entscheidungsprozesse einbeziehen. Geeignete Moderations- und Mediationsverfahren müssen entwickelt werden.

8. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung muß das verantwortliche Bürgerengagement auch im Hinblick auf Fragen von Denkmalerhaltung und behutsamer Stadterneuerung gefördert werden. Vereine, Bürgerinitiativen und Stiftungen sollten materielle und ideelle Unterstützung von Seiten der Entscheidungsträger erfahren. Desgleichen sollten die rechtlichen Voraussetzungen privaten Engagements erleichtert und ehrenamtliches Engagement stärker gewürdigt werden. Unterstützung von Bürgerengagement sollte auch auf dem Wege der gegenüber der grünen Wiese bevorzugten, zumindest gleichwertigen Förderung privaten Wohn- und Hauseigentums in den Innen- und Altstädten erfolgen. Dienlich wäre auch die nationale Umsetzung der von den EU-Finanzministern geschaffenen Möglichkeit, für arbeitsintensive Dienstleistungen einen ermäßigten Umsatzsteuersatz einzuführen.

9. Städtebaulich-architektonische Wettbewerbe sollten für alle Bauaufgaben von stadtstruktureller und stadtbildprägender Bedeutung ausgeschrieben werden. Abkehr von Routinelösungen und Beförderung architektonischer Innovationen ließen sich so im Sinne der Qualitätssteigerung unterstützen.

10. In Ausbildung, Forschung und Lehre soll das Wissen um Denkmalschutz und Denkmalpflege, um baukulturelles Erbe, Stadterneuerung und Architektur gepflegt und vertieft werden. Eine Verstetigung des gesellschaftlichen Diskussionsprozesses (Beispiel: Europäisches Denkmalschutzjahr 1975) sollte über den alljährlichen "Tag des offenen Denkmals" hinaus reichen. Jugendarbeit und Schulerziehung sollten stärker als bisher auf diese Thematik eingehen. Unsere Gesellschaft muß den Wert ihres baukulturellen Erbes erkennen, um der Aufgabe, eine lebensfreundliche Balance zwischen Bewahren und Erneuern zu finden, gerecht zu werden.

Dresden, Villa Salzburg, 21. Juni 2001

Originaler Artikel unter http://denkmalschutz.de//presse/meldung?pressid=125

 

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