Das Land- und Steuerhaus
 

Dresdner Landhaus nach dem Wiederaufbau 1966
Der Haupteingang in der Landhausstraße im strengen,
klassizistischen Stil - leider finden die Touristen dieses Tor von der Wilsdruffer Straße nur in seltenen Fällen.


Die ehemalige Rückseite zum Landhausgarten
zu im traditionellen Barockstil mit palaisartigem Festcharakter - warum nicht auch hier öffnen?

Neues vom Landhaus

Eröffnung der Dauerausstellung im Stadtmuseum
Dresdens Stadtmuseum krönt sich mit einer sehr gelungenen Geschichtsausstellung.
SZ vom 29.11.06 - Ein Besuch dieser äußerst gelungenen Ausstellung ist allen Dresdnern und Gästen unbedingt zu empfehlen. Die Schau stellt die große Tradition bürgerlicher Kultur in Dresden ins Zentrum der Betrachtung. Sehenswert für alle Neumarktinteressierte ist u.a. ein perfektes Modell des barocken Stadtraums um die Frauenkirche bis zum Brühlschen Garten, geschaffen 1997- 2003 vom Modellbauer Thomas Kneib aus Bautzen. Bis in alle Details läßt sich hier der Zustand um 1760 studieren. (Foto rechts: glanzvolles Treppenhaus im Dez. 2006, TK) Siehe auch http://stadtmuseum.dresden.de


 



Die Dresdner Galerie zeitgenössischer Kunst ist am 02. Juli 2005 feierlich eröffnet worden. Mit der Präsentation dieser erweiterten Ausstellungsfläche ist auch der neue (alte) Haupteingang an der Landhausstraße wieder zugänglich. www.galerie-dresden.de

Mai 2004: Eine neue Fluchttreppe an der neuen Nachkriegs-Ostseite des Landhauses zum Pirnaischen Platz hin sorgt für Diskussionsstoff in der Bevölkerung.


Das Landhaus

Das 1770-1775 nach Entwürfen des Hofbaumeisters Friedrich August Krubsacius (1718-1790) errichtete Bauwerk, als erstes eigenes Tagungsgebäude für die sächsischen Landstände, wird gerühmt für seine vollendete Synthese von Stilformen des Klassizismus, Spätbarock und Rokoko. Man könnte es auch einen äußerst gelungenen Kompromiss bezeichnen. Warum?

Die Sächsischen Stände und vor allem die Sächsische Steuerbehörde benötigten nach der verlustreichen Beendigung
des Siebenjährigen Krieges ein eigenes Tagungs- und Verwaltungsgebäude. Sie bekamen vom Kurfürsten Friedrich August III. das Grundstück des zerstörten Flemming-Sulkowskyschen Palais geschenkt.
An einem Wettbewerb für ein Landtagsgebäude beteiligten sich: der Sächs. Oberlandbaumeister Ch. F. Exner, Georg Rudolf Fäsch (Sohn des Architekten Johann R. Fäsch vom ehem. Flemmingschen Palais) und Hofbaumeister Krubsacius. Während die ersten beiden Architekten ein Wiederaufbau des 1760 zerstörten Gebäudes vorsahen, favorisierte Krubsacius (nach mehreren Entwürfen) einen Neubau - unter Abriss der noch vorhandenen Palaisfassade zur Pirnaischen Gasse (Landhausstraße). Der Streit zog sich Jahre hin, da die politisch einflußreicheren Adelsstände eher ein repräsentatives, "konventionelles" Äußeres anstrebten (und eine Einbeziehung der Ruinenwand mit reichen kriegerischen Verzierungen), während andere auf einen Neubau mit neuen funktionalem Inneren drangen. Durchsetzen konnte sich schließliche Krubsacius mit seinem genialen Kompromiss einer modernen, "zeitgenössischen" klassizistischen Fassade zur Pirnaischen Gasse und einer "traditionellen" barocken, auf herrschaftliche Repräsentation bedachten Rückseite zum Garten zu. (Wohlbemerkt mit etlichen Anleihen aus dem Vorgängerbau wie die Lisenenarchitektur, die Betonung des 5-achsigen Mittelrisalits oder dem breiten Giebel der Vorderfassade)
Bild: Canalettos sachlicher Blick auf die komplett zerstörte Piranische Vorstadt 1766.
Orange: Ruine des Palais Flemming-Sulkowsky an der Pirnaischen Gasse.


Bekannt ist, daß Krubsacius dem in seinen Augen dekadenten, "verweichlichten" Rokoko kritisch gegenüber stand. So verwundert es nicht, daß er erste Impulse, wie der Neubau des Wörlitzer Schlosses (1769 bis 1773), als Anregung nahm, in Dresden neue eigene Akzente zu setzen. 6 kräfige toscanische Säulen mit dorischen Kapitellen und ein Gesamtaufbau, der Klarheit und Symmetrie demonstrieren will, sollten ein Zeichen setzen für eine stabilere Herrschaft als die kraftlose vor der Niederlage.
Krubsacius zum Landhaus: "Die Ansicht dieses Hauses zeiget eine männliche Baukunst ohne die mindeste Verzierung. (...) Die allergröße Zierde aber, besteht wohl in der Figur des Giebelfeldes, die die Liebe zum Vaterlande vorstellet und in der Aufschrift über dem Portale "Patriae..", die die Bestimmung des Gebäudes kurz und begreiflich anzeiget." Eine heftige Abwendung vom überschwänglich dekorierenden Rokoko zu einer maßvollen, antik-orientierten Verzierung war es also, was Krubsacius mit seinem Entwurf anstrebte.

Krubsacius' Entwurf für das neue Sächsische Land- und Steuerhaus
Krubsacius' letzter und schließlich realisierter Entwurf -
Ansicht zur Pirnaischen Gasse (jetzt Landhausstraße),
gut sichtbar der "östliche" Flügel


Inschrift über dem Portal in der Landhausstraße:

CURIA
(M) ORD(INUM) SAX(ORUM) FRID(ERICUS) AUG(USTUS) EL(ECTOR) P(ATER) P(ATRIAE) FAC(IENDAM) CURA(VIT) MDCCLXXL

(Kurfürst Friedrich August, Vater des Vaterlandes, ließ 1775 das Landhaus der sächsischen Stände errichten.)



Im Februar 1945 erneut bis auf die Außenmauern völlig zerstört, zog in das alte Landhaus mit dem 1965 vollendeten Wiederaufbau das Dresdner Stadtmuseum. (Dieses wurde 1891 als bürgerliches Pendant zum weltberühmten Kunstbesitz der Königlichen Kunstsammlungen begründet.)
Näheres: http://stadtmuseum.dresden.de



Die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden setzte sich am Beginn des Sanierungskonzeptes für eine Rückführung des kostbaren schmiedeeisernen Gartentores mit Delphinbrunnen ein, das im Zuge der Verbreiterung der Wilsdruffer Straße in den 50er Jahren in den Barockpark Großsedlitz gelangt ist und dort eines der Eingangstore schmückt. Bildhauer war Johan Christian Feige, der ebenfalls am Frauenkirchenaltar mitarbeitete.
Zur Wiederherstellung der historischen Gartenanlage wäre allerdings eine Verschmälerung der Wilsdruffer Straße nötig gewesen. Man müßte zudem das unterschiedliche Straßenniveau von Wilsdruffer Str. und Landhausgarten anpassen.

Zur Entstehungszeit 1777 führte besagtes Gartentor zu einer winzigen Gasse, die ihrerseits in die Moritzstraße mündete. Erst in der Gründerzeit wurde die König-Johann-Straße ab 1885 angelegt, eine Verlängerung der Wilsdruffer Str., um eine durchgehende Ost- Westachse zum Pirnaischen Platz durch die verkehrstechnisch arg strapazierte Innenstadt zu ermöglichen. So wandelte sich die Landhausrückseite zur Vorderseite. Das neue Konzept hat nun Rückverlegung des Haupteingangs in die Landhausstraße umgesetzt.


Stadtplan der GHND mit den historischen Palais und Bürgerhäusern um den Dresdner Neumarkt. (Dresden 2000)





Die Verweilqualität angesichts der angrenzenden endlosen Weite des Pirnaischen Platzes erhöhen könnte ein Neubau des Landhaus-straßen-Seitenflügels als Abschirmung zum Pirnaischen Platz. Eine provisorische Fluchttreppe wird allerdings erst einmal an der neuen Nachkriegsostseite stehen bleiben, bis man sich evtl. für einen Neubau des Ostflügels entschließt.


Originales Gartentor vom Landhaus - jetzt im Barockpark Großsedlitz
Originales Gartentor vom Landhaus - jetzt im Barockpark Großsedlitz (Feb. 2003)




Für die ursprüngliche Gartengestaltung von Krubsacius und Höltzer 1781 lassen sich nur 2 mit Linden eingefaßte Reihen und das Gartentor nachweisen. Im 19. Jahrhundert wurde die Anlage biedermeierlich überformt.

Völlig neu gestaltet hat den Garten 2006 das Dresdner Landschaftsarchitekturbüro Rossa-Banthien, die den Vorplatz mit einigen Pflanzbeeten bestückten und den Garten zur Wilsdruffer Str. hin mit einer Betonmauer abgrenzten.


07.11.07: Der Garten am Alten Landhaus, dem Stadtmuseum ist beim Wettbewerb „Gärten in der Stadt“ mit dem Preis für öffentliche Grünanlagen ausgezeichnet worden. Der Preis wurde vom Verein Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Sachsen e. V. an die Stadt vergeben.
Die Gestaltung des Stadtgartens wurde vom Büro r + b landschaftsarchitektur konzipiert. Die Ausführung übernahm die Frauenrath Landschaftsbau GmbH. Zu den auffälligsten Gewächsen gehören im Winter blühende Zierkirschen.





Der westliche Anbau als behutsame Ergänzung
Neobarocke Ergänzung von 1832

Fotos: Februar 2003
 


Im Zuge der abgeschlossenen Sanierung des Dresdner Landhauses fällt die Aufmerksamkeit auch auf ein Gebäudeteil, daß so selbstverständlicher Bestandteil des Gebäudekomplexes geworden ist, daß man es vom eigentlichen Landhaus von Krubsacius kaum unterscheidet. Der an das Hauptgebäude angrenzende Westflügel ist ein Anbau aus dem Jahr 1832ff.
Dieser bemerkenswert unauffällig hinzugefügte Verwaltungstrakt ist in einer Zeit, da Semper und Nicolai in Dresden die große Zeit der Neorenaissance einführen, in neobarocker (veralteter?) Formensprache gebaut.
Für den nun anstehenden Wiederaufbau des Neumarktes gerät diese sensible, "dienende" Anpassung mit Mansarddach und sparsamen schmückenden Elementen in ein besonderes Licht.
Der asymmetrische, vielfältig gegliederte Anbau zur schmalen Friesengasse wurde 1916-18 in Details nach dem Auszug des Landhauses in das neue Ständehaus von Wallot leicht umgebaut.




Sitzungssäle der Sächsischen Ständeversammlung im Landhaus zu Dresden um 1831, links: erste Kammer, rechts: zweite Kammer.
Die Innendekoration der Sitzungssäle tragen eindeutig klassizistische Züge.
Im Hintergrund kann man im esten Stock eine öffentliche Galerie für Besucher erkennen. Die gegenüberliegende Galerie war für die sächsische Regierung vorbehalten.

. Das Dresdner Landhaus zählt in seiner ursprünglichen Funktion als Ort der sächsischen Ständeversammlung zu den bedeutendsten politischen Gebäuden Sachsens. In dieses Gebäude wurde z.B. am 4. September 1831 feierlich vom Thronsaal des Schlosses die Verfassungsurkunde überführt. Hier tagten die durch die neue Verfassung eingesetzten zwei Kammern, die sich auch aus "Bürgerlichen"
(5 Abgeordnete des Handels- und Fabrikwesen) zusammensetzten. Der liberale Bernhard August von Lindenau hatte großen Anteil an der Verfassung.
1848 wurde z.B. im Landhaus das Gesetz über Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit beschlossen und das Wahlrecht modernisiert, das die Kammern aus direkten Wahlen hervorgehen. In der 1848/49er Revolution wurde der Sächsiche Landtag aufgelöst.
Heute sitzt der Sächsische Landtag in Kulka's neuem Landtagsgebäude hinter der Oper.


Treppenhaus des Landhauses

Fritz Löffler "Das alten Dresden" über das Landhaus von Krubsacius:
"Seine großartigste Leistung vollbrachte er in dem Treppenhause des Landtages, das sich durch sämtliche Stockwerke zieht. Dieses Treppenhaus bestimmt seinen Rang als Architekt. Seine Kunsttheorien suchte er in der Außenarchitektur zu verwircklichen. Als Schüler Longuelunes führte er dessen blockhafte Gestalt fort, von der französischen Akademie übernahm er eine gewisse Nüchternheit der Formen. Das Mansarddach verwendete er weiter. (...)
1770- 1776 entstand das bis dahin größte Verwaltungsgebäude der Stadt für die sächsischen Landstände. Das Neue der sonst noch mit vielen spätbarocken Zügen behafteten architektonischen Gestaltung zeigt sich an der 77 Meter langen Hauptschauseite nach der Landhausstraße. Hier verwendete Krubsacius zur Gliederung der Fassade zum ersten Male vor einem fünffenstrigen Mittelrisalit auf hohe Sockel gestellte dorische Säulen."
Also ein heute noch anschauliches Beispiel des Frühklassizismus in Dresden.

Nur zur Erinnerung: 1755 entstand in der Neustädter Königstraße 17 das entscheidende Frühwerk der klassizistischen Kunsttheorie, die "Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst" von Johann Joachim Winckelmann, das in einem Hymnus auf Dresden ausklingt:

"Die reinsten Quellen der Kunst sind geöffnet: glücklich ist, wer sie findet und schmecket.
Diese Quellen suchen, heißt nach Athen reisen; und Dresden wird nunmehr Athen für Künstler."


"Ein anderer Dresdner Theoretiker war Friedrich August Krubsacius, der schon 1745 mit 'Betrachtungen über den Geschmack der Alten in der Baukunst' als Schriftsteller begonnen hatte und sich 1759 über 'Ursprung, Wachstum und Verfall der Verzierungen in den schönen Künsten' in schärfster Weise gegen den Barock äußerte. Die Frage 'Wie soll man ein Gebäude verzieren?' beantwortete er bereits im Sinne des modernen Funktionsprinzips. 'Gar nicht oder so wenig als möglich. Denn sie haben ihre Wesensschönheit in den architektonischen Gliedern.' Krubsacius war ein streitbarer Klassizist, dem Goethes Bekenntnis zur Gotik des Straßburger Münster ebenfalls ein Gräuel wird." F. Löffler in "Das alte Dresden", S. 319
Allerdings scheint er seinen theoretischen Grundsätzen nicht völlig entsprochen zu haben. Die dekorativen Ziervasen, Pilaster und schmiedeisernen Gitter am Landhaus haben durchaus eine zurückhaltende, aber noble Note. Ebenso zeichnete die Fassade Rampische Str. 16 von 1766 eine würdige Verzierungskunst aus. Der 1760 stark zerstörte Festsaal des Kurländer Palais wurde zudem von Krubsacius im Jahrzehnt nach Kriegsende in maßvollem Rokoko ausgestaltet.




Den von Krubsacius als Einheit zum Landhaus konzipierten
östlichen fünfachsigen Flügel könnte das Stadtmuseum bei
zukünftigen Erweiterungen wieder aufbauen. (Aufn. um 1900)
  Die Landhausruine 1949 und das unbeschädigte Gartentor
Die Landhausruine 1949 und das unbeschädigte Gartentor, welches bereits einige Jahrzehnte zuvor wegen der Neuanlegung der König-Johann-Straße zurückgesetzt worden war.

Wiederaufbau des Ostflügels vom Dresdner Landhaus geplant
Der konkrete Zeitplan ist aber wegen des allg. Geldmangels völlig offen. / Mit Mitteln des Sanierungsgebietes Neumarkt soll jedoch die Umgestaltung des Landhausgartens finanziert werden. Details der Umbaupläne: "Stadtmuseum: Für Top-Sanierung fehlt das Geld" vom DNN vom 21.07.03


Literatur:
Friedrich August Krubsacius: Betrachtungen über den Geschmack der Alten in der Baukunst, 1745
ders.: Kurze Untersuchung des Ursprungs der Verzierungen, der Veränderung und des Wachstums in den
         schönen Künsten, bis zu ihrem itzigen Verfall. In: Das Neueste aus der anmuthigen Gelehrsamkeit,
         Leipzig 1759

Kruse, Horst: Das Landhaus von 1775, Everloh 1993
Denk, Andres; Matzerath, Josef: Die drei Dresdner Parlamente, München 2000
Lademann, Jördis: Die Baukunstabteilung der Dresdner Akademie der zeichnenden und
bildenden Künste von ihrer Gründung 1764 bis zum Ende des 18. Jh. unter besonderer
Berücksichtigung des Wirkens von Friedrich August Krubsacius,
unveröffentlichte Dissertation, Dresden 1957

 

Recherche und Text: Thomas Kantschew



Fotonachweis: Deutsche Fotothek Dresden/ T. Kantschew