Nach dem Besuch der Fürstenschule in Grimma studierte Crell seit 1571
in Leipzig die Rechte und wurde 1580 in Dresden Hofrat und Sekretär
des Kurprinzen Christian, der ihn nach seinem Regierungsantritt 1586
zum Geheimen Rat und 1589 zum Kanzler ernannte. Crell, der durch Reisen
in Frankreich und der Schweiz zum Abschluß seiner humanistischen Studien
für den Calvinismus gewonnen worden war, bemühte sich im Einverständnis
des melanchthonischgesinnten Kurfürsten um die Wiedereinführung des
Kryptocalvinismus in dem streng lutherischen Kursachsen. Die Verpflichtung
auf die Konkordienformel wurde nicht mehr verlangt. Eine landesherrliche
Verfügung verbot 1588 "das unzeitige und unnötige, auch ärgerlich Gebeiß,
Gezänk und Verdammnis" der Prediger. Strenge Lutheraner entließ man
und ersetzte sie durch Philippisten. Eine Volksbibel mit kryptocalvinistischen
Glossen, die sog. Crellbibel, und ein entsprechender Katechismus wurde
herausgegeben. Am 4.7. 1591 erfolgte die Abschaffung der Exorzismusformeln
bei der Taufe.
Dagegen erhob sich schärfster Widerspruch. Mit dem plötzlichen Tod Christians
I. am 25.9. 1591 setzte die Reaktion ein. Noch am Tag vor dem Begräbnis
des Kurfürsten wurde C. durch den Herzog Friedrich Wilhelm zu Sachsen-Altenburg,
einen eifrigen Lutheraner, seines Amtes enthoben und nach der Festung
Königstein gebracht. Alle sächsischen Kirchen- und Staatsbeamten mußten
die streng anticalvinischen Visitationsartikel unterschreiben. Die sich
weigerten, wurden abgesetzt. Der Prozeß gegen Crell dauerte 10 Jahre.
Seine Gattin reichte beim Reichskammergericht zu Speyer eine Beschwerde
wegen verzögernden Rechtsganges ein. Diese Behörde erließ wiederholte
Mandate zugunsten Crells. Die sächsische Regierung bestritt die Kompetenz
des Reichskammergerichts und übertrug den Urteilsspruch der böhmischen
Appellationskammer in Prag, die am 8.9. 1601 zu Recht erkannte, daß
Crell "sein Leib und Leben verwirkt" habe. Der Administrator Friedrich
Wilhelm bestätigte das Todesurteil. Crell. wurde auf dem Neumarkt in
Dresden öffentlich enthauptet. Als sein Haupt gefallen war, rief der
Scharfrichter: "Das war ein calvinischer Streich! Seine Teufelsgesellen
mögen sich vorsehen; denn man schont allhier keinen."
(Textquelle: http://www.bautz.de/bbkl/c/crell_n.shtml
)
Dr.
Nikolaus Krell wohnte in Dresden auf dem Grundstück des späteren
Beichling'schen Palais (später British Hotel und Palais de Saxe)
zwischen Moritzstraße und Landhausstraße. Info bei www.archsax.sachsen.de
Buchillustration
oder Flugblatt zur Verhaftung der Doktoren Christoph Gundermann, Nikolaus
Krell und Urban Pierius (Birnbaum) unter dem Vorwurf des Calvinismus.
Simultane Darstellung der Ereignisse in Leipzig, Dresden und Wittenberg,
1591/1592, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Graphische Sammlung,
HB 6375 (Nicolaus Crell ist im linken Medaillon oben dargestellt.)
Der abgeschlagene
Kopf Krells in einer zeitgenössischen Grafik, unbekannter Künstler
(Quelle: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett) Vergrößerung
des Ausschnitts. Der Künstler hat die Augen des vom Körper
abgetrennten Kopfes noch offen und lebendig mit einem direkten Blick
zum Betrachter gezeichnet.
Richtschwert. Mit
diesem Schwert wurde der kalvinistische Kanzler Nikolaus Krell 1601
enthauptet. In Latein wurde der Spruch „Hüte dich, Calvinist!“ eingraviert.
/ Datierung: Ende 16.Jh. (Inventarnummer: VI 449) in: Staatl. Kunstsammlungen
Dresden / Rüstkammer
Material / Technik: Klinge zweischneidig, breit und flach; Hohlschliff,
kupfertauschierte und eingravierte Inschriften; Gefäß Eisen, gefeilt;
Griffwicklung mit Türkenbünden, glatter, gewundener und geflochtener
Eisendraht
Maße: Höhe: 105 cm, Klinge: 82,5 cm
Folter von politisch Andersdenkenden
Das Todesurteil durch das Schwert war ein relativ glimpfliches Todesurteil.
Es hätte auch wesentlich schlimmer kommen können: In Braunschweig z.B.
wurde im Jahre 1604 der Bürgerhauptmann Henning als Calvinist in bestialischen
Weise umgebracht. Nachdem man ihn gefoltert hatte, hackte man ihm zwei
Finger ab, zwickte ihn mit glühenden Zangen, schnitt ihm die Geschlechtsteile
ab und schlitzte ihm endlich den Leib auf. Damit er die Leiden besser
fühle, hielt man ihm von Zeit zu Zeit ein Riech-Fläschchen unter die
Nase. Während der ganzen Prozedur machten lutherische Orthodoxen Belehrungsversuche.
Unbekannter Künstelr,
Porträt Nikolaus Krell (Quelle: Deutsche Fotothek)
Öl auf Leinwand, vermutlich um 1600 entstanden (Besitzer: Städtische
Galerie Dresden, Kunstsammlung)
Singende Pfaffen,
Pinselzeichnung von Hans Krell 1547 (Quelle: Staatliche Kunstsammlungen
Dresden, Kupferstich-Kabinett)
Sophie von Brandenburg
- Gemahlin des sächsischen Kurfürsten Christian I.
(Quelle: Deutsche Fotothek)
Sophie
von Brandenburg (* 6.06 1568; † 1622) "Judith von Sachsen"
war Tochter des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg und Gemahlin
des Kurfürsten Christian I. von Sachsen (Hochzeit am 25. April 1582
zu Dresden). Mit nicht einmal 14 Jahren wird sie von Berlin nach Dresden
verheiratet. Mit 15 bekommt sie ihr erstes Kind: den späteren Kurfürsten
Christian II.
Mit 23 Jahren (1591 hatte sie schon 7 Kinder geboren) stirbt ihr Mann
31-jährig. Weitreichende Entscheidungen sind zu fällen für die junge
Frau.
Doch ihr Vater ist an ihrer Seite: Johann Georg (* 11. September 1525
in [Berlin] -Cölln, † 8. Januar 1598 in [Berlin]-Cölln), war von 1571
bis zu seinem Tode Kurfürst von Brandenburg. Übernahm nach dem Tode
von Kurfürst Christian I. von Sachsen (1586-1591) zusammen mit Herzog
Friedrich Wilhelm I. von Sachsen-Weimar (1562-1602) die Administration
von Kursachsen.
Sophie hatte 7 Kinder, darunter Christian II. (* 23.09 1583), Johann
Georg I. (* 5.03 1585. Als orthodoxe Lutheranerin bekämpfte sie den
Kryptokalvinismus in Sachsen, ließ nach Christians Tod (25.09 1591)
dessen Kanzler Nikolaus Krell auf der Festung Königstein gefangensetzen
und 1601 auf dem Neumarkt hinrichten.
Die orthodoxen Lutheraner feierten sie als "Judith von Sachsen". Sie
hasste Krell vor allem, weil er den Kurfürsten überredet hatte, ihre
jüngste Tochter Dorothea (* 7.01 1591) ohne Exorzismus (Teufelsaustreibung)
taufen zu lassen.
Sophie lebte als Witwe in dem "Fraumutterhaus" oder auf Schloss Colditz,
ließ eigene Münzen prägen (Sophienducaten), ließ die alte Franziskanerkirche
wieder für den Gottesdienst herrichten (1599-1610), die nach ihr
Sophienkirche bezeichnet wurde. (Textteile: http://sophie_von_brandenburg.know-library.net
)
Sophie von Brandenburg
- Gemahlin von Christian I.
(Quelle: Deutsche Fotothek)
Caravaggio: Judith
schlägt Holofernes das Haupt ab, 1598 - Galleria Nazionale dell'Arte
Antica
in Rom
Weiterführende
Informationen:
Ein
religionspolitischer Justizmord - von Klaus Hoffmann-Reicker
Der Fall des Dresdner Aufklärers Nikolaus Krell - NZZ Online vom 12.
Januar 2002
http://www.ev-ref-gem-dresden.de/ug_reformation.htm
Reformierte Gemeinde in Dresden - zur Reformationsgeschichte, Calvin
und Zwingli
http://www.uni-leipzig.de/~agintern/uni600/ug128.htm
(Die Auswirkungen der Gegenreformation und die Auseinandersetzungen
innerhalb der lutherischen Kirche) / zum Calvinistensturm
(pdf)
http://www.tourismus-deutschland.de/sachsen/freistaat-sachsen_100251_0.html
u.a. Geschichte: Kursachsen im Zeitalter der Konfessionalisierung (1547-1650)
http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_I._Sachsen
http://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_Krell
http://de.wikipedia.org/wiki/Sophie_von_Brandenburg
http://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Gundermann
Doktor der Theologie, ebenfalls im Zuge der Calvinisten-Ausschaltung
mit Krell gefangen genommen und in der Leipziger Pleißenburg inhaftiert.
Kam frei, nachdem er urkundlich abschwörte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Urban_Pierius
Pfarrer in Wittenberg, der mit Krell 1591 gefangen genommen wurde, am
13.11.1591 in Wittenberg verhaftet. Die englische Königin Elisabeth
I. setzte sich höchstpersönlich für ihn ein, so dass er 1593 freikam.
Peter
Löw: Krell – im Sog der Macht, Roman-Biographie, 2001
Zu Wirken und dramatischem Schicksal des sächsischen Staatskanzlers
der Spätrenaissance Dr. Nikolaus Krell
Hartmut
Krell: Das Verfahren gegen den 1601 hingerichteten kursächsischen Kanzler
Dr. Nicolaus Krell, Peter Lang Verlag, Europäische Hochschulschriften
- Rechtswissenschaft, Frankfurt am Main 2006
Dresdner
Hefte – Jahrgang 1992, Heft 29, Um die Vormacht im Reich - Christian
I., Sächsischer Kurfürst 1586-1591
Festung Königstein mit Johan-Georgen Burg und heute nicht mehr
vorhandenem Krellturm / Kupferstich von Martin Engelbrecht (1684 - 1756)
Kryptocalvinismus
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Kryptocalvinismus ist eine abfällige Bezeichnung für verkappte Sympathisanten
des Calvinismus in orthodox-lutheranischen Gebieten im späten 16. und
frühen 17. Jahrhundert. Wo er auch das Fürstenhaus erfasste und zur
herrschenden Religion wurde, bezeichnete er sich selbst als reformierte
Kirche (z. B. in Brandenburg). Da der Calvinismus vor 1648 in Deutschland
nicht als offizielle Religion anerkannt war, versuchten einige Fürsten
in dieser Zeit auch den Calvinismus so zu praktizieren, dass er noch
als übereinstimmend mit der lutherischen Lehre, wie sie im Augsburger
Religionsfrieden von 1555 festgehalten worden war, anerkannt wurde (z.
B. in der Kurpfalz im Heidelberger Katechismus). Politisch zielte der
Kryptocalvinismus auf die Zerschlagung des Habsburger Heiligen Römischen
Reiches und auf eine moderne, bürgerliche Europäische Union, bestehend
aus der teilweise reformierten (Genf, Zürich) Schweiz, einem hugenottischen
Frankreich, dem anglikanischen England und einem protestantischen (reformierten)
Deutschland. Bekanntester Kryptocalvinist war der sächsische Kanzler
Dr. Nikolaus Krell, der dafür 1601 auf Betreiben der lutherischen Orthodoxie
hingerichtet wurde. Auch Caspar Peucer wurde von ihr als Kryptocalvinist
bezeichnet.
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