Offener Brief an den Oberbürgermeister
Gewandhaus


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,

wie alle Dresdner, Freunde und Gäste unserer Stadt, so empfindet auch die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e. V. sehr große Freude über den nun abgeschlossenen Wiederaufbau der Frauenkirche und die ersten positiven Bauentwicklungen am Neumarkt in den Quartieren QF, der V.V.K. zu Dresden und am Hôtel de Saxe. Durch die bisher erkennbare harmonische Verbindung von rekonstruierter historischer und zeitgenössischer Architektur ist das Projekt "Neumarkt" auf dem Weg, sich zu einem deutschlandweit beachteten Musterbeispiel für einen Altstadtwiederaufbau zu entwickeln. Weitere Investitionen und in der Folge eine positive wirtschaftliche Entwicklung für Dresden sind hieraus zu erwarten!

Mit Bestürzung haben wir erfahren, dass man bei den nun anstehenden Verkaufs-verhandlungen zum Quartier VI noch immer an einem "Wiederaufbau" des sog. "Alten Gewandhauses" am Neumarkt festhält. Dies erfüllt uns mit großer Sorge. Und dies obwohl sich die GHND wie auch Kunsthistoriker und Architekten und die über 63.000 Unterzeichner des Bürgerbegehrens "Ja! Zum historischen Neumarkt!" schon vor Jahren eindeutig gegen eine Bebauung dieses Grundstückes, gleich mit welcher Architektur ausgesprochen haben!

Ein nun überraschend im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden aufgefundenes einzigartiges Dokument untermauert die von uns seit Jahren geäußerte Überzeugung, dass das Gewandhaus im Jahre 1791 tatsächlich absichtlich aus städtebaulichen Gründen abgebrochen wurde und an seine Stelle kein Neubau mehr gekommen ist. Oberlandbaumeister Schwarze schreibt in diesem Dokument: "Da die Lage des Gewandhaußes so beschaffen ist, daß selbiges wegen seines Vorliegens dem Neu=Marckt=Platze großen Uebelstand veruhrsachet, so wäre zu wünschen, daß dieses Gewand und Fleisch Hauß weggerißen und anderweit placiret würde (...). Durch diese Verlegung würde der Raum des jetzigen Gewandhaußes zu Vergrößerung besagten Neu Marckt Platzes angewendet werden können". (das komplette Schreiben von 1762)

Seit dem Abriss des alten Gewandhauses war der Neumarkt mehr als 200 Jahre ein in sich geschlossenes barockes Ensemble und einer der schönsten bürgerlichen Plätze Europas. Sein Erscheinungsbild würde mit einem "wiederaufgebauten" Gewandhaus erneut erheblich entstellt, zumal mit einem großen modernen Neubau, da es keine Rekonstruktion des Renaissancebaus geben kann.

In seinem letzten Interview, das uns Prof. Dr. Hans Nadler kurz vor seinem Tod gab, betonte er, dass es in dieser Angelegenheit wichtig sei, nicht vorschnell zu handeln und sich zur Not mittels einer Gerüstsimulation Klarheit über die Wirkung des Platzes mit und ohne Gewandhaus zu verschaffen.

Als eine Vereinigung von Dresdner Bürgern und Freunden des Dresdner Neumarkts bitten wir Sie daher dringend, die derzeitige städtische Position zum Gewandhaus zu überdenken. Wir schlagen dazu eine Expertenanhörung vor dem Dresdner Stadtrat vor. Hinsichtlich dieser stehen wir gern mit unseren Ausarbeitungen zum Neumarkt unterstützend zur Verfügung. Einer Nutzung der unterirdischen Teile dieses Grundstückes, insbesondere der Gewölbe steht aus unserer Sicht nichts entgegen, solange die überirdische Struktur des Platzes nicht berührt wird.

Wir appellieren an Sie, unsere Einwände ernst zu nehmen, denn sie spiegeln die Meinung der Mehrzahl der Dresdner Bürger und Besucher wider. Dies erfahren wir Tag für Tag bei unserer Vereinsarbeit. Je weiter die Bebauung des Neumarkts fortschreitet, desto offenkundiger wird es, dass eine Bebauung des einstigen Gewandhausareals ein gravierender städtebaulicher Fehler wäre.

Für heute verbleiben wir

hochachtungsvoll

Birgit Lucas
1. Vorstandsvorsitzende
  Torsten Kulke
2. Vorstandsvorsitzender


PS: Wir betrachten diesen Brief als offenes Schreiben und werden ihn daher in der nächsten Woche der Presse übergeben.

Anlagen

 


Blick auf das Johanneum vor 1945

 


Blick auf das Johanneum - mit geplanter Gebäudemasse eines neuen Gewandhauses

 


Neumarkt 13- 14 (Zeichnung: Andreas Hummel)

 


Jüdenhof mit Blick auf den Neumarkt vor 1945

 


Die gleiche Ansicht mit einem neuen Gewandhaus

 

Visualisierung: Andreas Hummel.
zurück zu News