Workshop "Atelier Neumarkt 2000"
Ein dreiwöchiger Workshop zur Neumarktbebauung fand im November
2000 in Dresden statt. Organisiert wurde er von Matthias Lerm (Autor
des Buches "Abschied vom alten Dresden") und den Architekten
Peter Kulka (Sächsischer Landtag) + Axel Schultes (Bundeskanzleramt).
Eingeladen war ein Spektrum von 35 deutschen und ausländischen
Architekturbüros, deren Spannweite von gemäßigt historisierenden
Entwürfen, wie z.B. die Architekten des Berliner Adlon Hotels
Patzschke, bis hin zu kompromisslos modern orientierten Architekten
reichte. Das Ziel sei nicht vordergründig, genau dann so zu bauen,
sondern aus den eingereichten Arbeiten wolle man sich eine Meinung
bilden.
Die offizielle Webseite der Dresdner Stadtverwaltung www.dresden.de
bringt einen
Rückblick
auf diesen Workshop
" 'Wenn dieser Entwurf (Loegler) für den Neumarkt 9/8 zuerst
gebaut würde, gäbe es in Dresden einen Aufschrei', ist sich
Carlo Weber sicher - so ein erster Kommentar nach der Auswahl der
eingereichten Arbeiten zum Workshop "Atelier Neumarkt 2000".
Der Stellvertretende Präsident der Akademie der Künste und Chef der
Klasse Baukunst kennt die Abneigung gegen modernes Bauen in Dresden.
..."
Die in den Neumarkt
eingefügten Entwürfe des Ateliers kann man auch durch eine
3 D-Visualisierung von ArchiCad
einsehen.
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Atelier Loegler, Krakow, Neumarkt 9
Die Gestaltungssatzung
völlig verlassen hat das Atelier Loegler. Ein ganz bewußter
Bruch und moderner Kontrast zum historischen Leitbau "Hotel Stadt
Rom" auf der gegenüberliegenden Straßeseite der Moritzstr.
Im Inneren konzipierte Loegler einen Kammermusiksaal.
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Thema verfehlt, sagten die Gutachter. Der Berliner
Architekt Axel Schultes hat vor das Gewandhaus am Neumarkt einfach
noch eine große Wandelhalle gesetzt und schlägt darin Musikveranstaltungen
vor. Doch die Grenzen der Bebauung sind die des einstigen Gewandhauses.
Dieser Entwurf wird von unserer Gesellschaft komplett abgelehnt, weil
er zu sehr den Charakter des Platzes verändert bzw. beeinflusst. Herr
Schultes meint jedoch gerade, daß der einstige Neumarkt eine
diffuse Platzanlage war, die es nun mit neuen Stadträumen zu
verbessern gelte.
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Prof. Christoph Mäckler (Frankfurt/M, Berlin)
Quartier: An der Frauenkirche 2
Von fast allen Gutachtern gelobt: der schlichte,
zurückhaltende und sich in Maß und Proportionen
einfügende Bau von C.Mäckler.
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Prof. Kleihus (Berlin) , Neumarkt 3
Ebenfalls ein akzeptabler Entwurf, der größtenteils die angestrebte
"Ruhe" der ehemaligen Neumarktbebauung wiederaufleben läßt.
Ob Herr Prisco den Berliner Professor als Architekt für sein Quartier
einlädt? |
Holger Just, Dresden, Töpferstr.
12
Der junge Dresdner Architekt steuerte eine Architekturvisualisierung
zum Workshop bei.
(siehe auch 4D
GbR -Visualisierung)
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Werner Bauer (Dresden) Rampische Str.
11, 13, 15 |
Sächsische
Zeitung vom 29.11.00:
"Gestandene und junge Architekten haben sehr einfache,
normale, sich zurückhaltende Arbeiten abgeliefert. Carlo Weber,
Architekturprofessor und Vizepräsident der Sächsischen
Akademie der Künste, hatte den Vorsitz der Bewertungskommission
und war sich mit allen einig in diesem Urteil. (...)
Die große
Mehrzahl der Architekten hat teilweise bis zum Grundriß auf
den Geschossen sensible, sich an die historische Bebauung anlehnende,
aber doch nicht kopierende Vorschläge gemacht. Beispielsweise
in der Rampischen Straße.Die Dresdener Wolfgang Hänsch
und Werner Bauer bauten auf der Gliederung der Parzellen moderne
Häuser, die für sich einzigartig sind und dennoch nicht
den Nachbarn erdrücken. Ähnlich geschmackvoll entwarf
Christoph Mäckler das schmale Haus An der Frauenkirche 2 (siehe
oben). Schnörkellos, aber mit Achtung vorm Historischen auch
der Berliner Gernot Nalbach mit einem Entwurf für die Frauenstraße
12 (ganz unten links). "Spannungsvolle Gebilde unserer Zeit"
nannte es Weber. Just "Das könnte der Weg sein.
Diesen Weg
eher verlassen haben das Krakauer Büro Loegler mit ihren schräggestellten
Lochfassaden neben der Salomonis-Apotheke am Neumarkt. Auch Axel
Schultes aus Berlin hielt sich nicht an die Vorgaben. Er vergrößerte
den wieder geplanten Gewandhausbau südlich der Frauenkirche
einfach um eine große Wandelhalle.
In jeden Fall,
so Baubürgermeister Just, werden wir die Architekten mit den
Investoren zusammenbringen. Entscheidend für das komplexe Areal
sei die Erhaltung der kleinteiligen Parzellenstruktur. Annette Friedrich,
die für das Gebiet zuständige Stadtplanerin, "die
im Stadtrat besprochene Satzung läßt ohnehin nur das
Zusammenlegen von maximal 3 Parzellen zu."
Manchen Architekten scheint die Satzung zu beengend. Anderen wiederum
ist sie zu locker gefaßt, wenn am Ende sowieso doch jeder
die verbindenden Merkmale wieder verwerfen kann. Wir wollen keine
hervorstechenden "Knaller", sondern sich maßvoll
in den Gesamtzusammenhang einfügende Bauten.
Zur Erinnerung: Satzung,
Grundsätze für Neubauten
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Pfau Architekten, Dresden. Entwürfe für die
Häuser: Landhausstr. 1, 3, 5 |
Code Unique, Martin Boden/Volker Giezek, Dresden, Haus:
An der Frauenkirche 20.
Ebenfalls komplett die Gestaltungssatzung außer acht lassend kreierten
die jungen Dresdner ein Glashaus mit abgerundeten Dach. Die Geschichte
des Hauses soll hier anhand einer auf die Glaushaut aufgeätzten
historischen Fotografie des Barockhauses lebendig gehalten werden. (siehe
auch:
www.codeunique.de/projekte/neumarkt/neumarkt.htm
) |
Zum Atelier Neumarkt 2000 machte unsere Gesellschaft in einer
Presseerklärung am 10. Februar
2001 auf folgende Punkte aufmerksam:
- Wir sehen
in diesem Atelier weitgehend eine persönliche Aktion
von dem Beigeordneten für Stadtentwicklung und Bau, Herrn Just,
die sich gegen den Stadtratsbeschluß vom 13. Juli 2000 wendet, der
eine weitgehend historische Bebauung des Neumarktes vorsieht.
- Das Atelier
ist damit auch gegen die Aktivitäten der GHND gerichtet (die von
Herrn Just bei der Eröffnung auch mehrere Male explizit angegriffen
wurde), und v. a. auch gegen die Dresdner Bevölkerung, die mehrheitlich
eine weitgehende Rekonstruktion des Neumarktes wünscht. Im übrigen
wurde das Atelier, das etwa eine Viertel Million DM kostete, mit
Steuergeldern finanziert.
- Wir sind der
Meinung, daß es bei diesem Atelier Neumarkt 2000 nicht um ein faires
Ringen um eine Gestaltung dieses Platzes ging, da die Mehrheit
der eingeladenen Architekten Vertreter der Moderne sind
und traditionell arbeitenden Architekten kaum zu Wort gekommen sind.
Die GHND e.V. hätte eine paritätische Besetzung erwartet.
- Zu monieren
ist darüber hinaus die Tatsache, daß zum einen bereits von lnvestoren
zur Rekonstruktion vorgesehene Bauten (z. B. An der Frauenkirche
20, Neumarkt 4) zum Neubau freigegeben wurden und zum anderen, daß
viele falsche Vorgaben (Höhe, Stockwerksanzahl) gegeben wurden.
Wir vermissen es weiterhin, daß sich die Dresdner Stadtplanung mit
den neuesten Ergebnissen der kunsthistorischen Forschung immer noch
nicht auseinandergesetzt hat (u. a. v. a. Gewandhaus-Problematik)
- Zu
den Ergebnissen des Ateliers ist aus unserer Sicht
folgendes zu sagen: Die große Mehrzahl der Entwürfe nimmt keinerlei
Rücksicht auf das einmalige historische Erscheinungsbild und in
einigen Fällen sogar, nicht auf den überkommenen Städtebau (Schultes).
Durchgehende Glasfassaden (Braunfels), Flachdächer, unpassende Metalldächer,
Staffelgeschosse, nicht eingehaltene Trauf- und Geschoßhöhen, völlig
unpassende Fensterformate bzw. Fensterteilungen, großflächig, oft
bis zum ersten Obergeschoß verglaste Erdgeschosse und fehlende Hofausbildungen
sollen angeblich satzungsgemäß sein. Bei fast allen
Entwürfen sind lediglich Solitäre entstanden, die weder untereinander
noch v. a. mit den rekonstruierten Häusern in einen von Harmonie
geprägten Dialog treten. Unseres Erachtens werden hier genau die
gleichen Fehler wie beim Wiederaufbau der westdeutschen Städten
(gerade das u. M. verfehlte Beispiel von Köln wurde erwähnt) wiederholt.
Die Einmaligkeit dieses Gebietes, die in der gestalterischen Geschlossenheit
von vornehm zurückhaltenden Barockhäusern, schlichten Putzfassaden,
hellen Anstrichen und v. a. in der geschlossenen, ziegelgedeckten
Dachlandschaft bestand, wurde durchgehend ignoriert. Außerhalb des
Neumarktgebietes könnten wir uns einige dieser Entwüffe (Gustavs
und Lungwitz) gut vorstellen, nicht aber in dem historischen Umfeld
der Frauenkirche.
- Es gibt unseres
Erachtens nur ganz wenige positive Ansätze in Richtung einfacher,
zurückhaltender Putzbauten, die aber in einigen Fällen falsche Stellen
(d.h. zu rekonstruierende Häuser) besetzen und meistens doch noch
in etlichen Details zu überarbeiten sind (Pfau - Dresden; Mäckler
- Berlin; Müller und Reimann - Berlin; Köckeritz - Dresden). Eine
gelungene Quartierstruktur im Sinne der Hofhausbebauung wurde nur
bei Krüger-Schubert-Vandreike (Berlin) ausgebildet.
Zwei Beispiele historisierender Architektur:
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Rüdiger Patzschke und Partner, Berlin, Haus: Neumarkt
9
Einen historisierenden Entwurf lieferte der Adlonarchitekt
Patzschke an exponierter Stelle neben der Salomonisapotheke.
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Weise und Treuner, Dresden, Rampische Str. 13. Ebenfalls
eine Neuschöpfung eines so nicht vorhandenen Barockhauses. Keine
Replik, sondern eine Paraphrase |
Zur aktiven Auseinandersetzung mit der Debatte sehr zu empfehlen:
Broschüre zum Atelier Neumarkt erhältlich
Herausgegeben
von der Landeshauptstadt Dresden, informiert sie über die Ergebnisse
der Entwurfswerkstatt zum Neumarkt aus dem vergangenen Jahr. Insgesamt
34 Arbeiten wurden eingereicht, von denen ein Gutachtergremium einige
Vorschläge als besonders beachtenswert einstufte. Die Broschüre Atelier
Neumarkt Dresden 2000 ist über Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt,
Hamburger Straße 19, Plankammer, Telefon 4 88 34 15 oder aber über
Fax 4 88 38 13 gegen eine Schutzgebühr von 18 Mark erhältlich. (Alle
Abbildungen stammen aus dieser Publikation.)
mit einigen Aufsätzen zu der Aufgabe von:
Gunter
Just: Nachdenken
ohne Zorn und Eifer - Atelier Neumarkt Dresden 2000
Matthias Lerm: Anlass, Ziele und Verlauf
des Ateliers
Annette Friedrich: Die Aufgabe
Heinz Schwarzenbach: Die jüngere
Planungsgeschichte des Neumarktes
Gerhard Glaser: Zu denkmalpflegerischen
Aspekten des Wiederaufbaus des Neumarktgebietes
Stefan Herzig: Die historische Rekonstruktion
des Dresdner Neumarktes - Disneyland oder einzigartige Chance?
Thomas Will: Rekonstruktion der europäischen
Stadt? Anmerkungen zur aktuellen Diskussion in Dresden
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Prof. Gernot Nalbach, Berlin -
Haus: Frauenstraße 12, Neuinterpretation der Themen:
Erker, Mansarddach, Fassadenrelief, vertikale Formate für
Fenster und Öffnungen |
Gustavs & Lungwitz, Dresden, Quartier 5, Neumarkt 11, Kleine Kirchgasse
9;
Die Vorgaben des Satzung völlig verlassend formten G/L einen
ganzen Baublock als plastischen Körper durch Auflösung der
angestrebten Parzellenstruktur.
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