Gesamtkunstwerk Neumarkt - was leitet uns?

von Thomas Kantschew
 

Diskussions-Forum - Was halten Sie von "Schmücken, Ornamentik und Moderne"?


Der Dresdner Neumarkt war, so heißt es, ein Gesamtkunstwerk von europäischem Rang und zählt damit zum Höhepunkt der glanzvollsten Epoche der sächsischen Landeshauptstadt. Heute wird dieses Quartier als "Sanierungsgebiet" eingestuft und ist in der städtebaulichen Planung kurz vor Verabschiedung einer Gestaltungssatzung, welche die Rahmenbedingungen für künftige Bebauung klären soll.

Geplant wird allerdings nicht nur die Architektur eines ehemals bedeutenden Platzes. Es geht um die strukturelle Durchdringung eines kompletten Quartiers, das umrissen wird von der Schlossstraße im Osten, der Schießgasse im Westen, der Brühlschen Terrasse im Norden und der Wilsdruffer Straße im Süden. Dies entspricht in etwa knapp der Hälfte der ehemaligen Altstadt innerhalb der Festungsmauern. Das ganze Viertel neben dem Neumarkt umfasst insgesamt 20 Straßen und Palais de Saxe, Moritzstr. 1b, 1715 von George Bähr und  G. Hase.  Fassadendetail mit Medallion und ornamentalen Schmuck.Gassen, dazu die Plätze Jüdenhof, Tzschirner- und Georg-Treu-Platz.

Seele der Stadt
Je sichtbarer nun die im Mittelpunkt gelegene Frauenkirche in die Höhe wächst, umso mehr spannen sich die Erwartungen auf ein adäquates Umfeld, welches dem glanzvollen barocken Zentralbau erst die passende Fassung gibt. Bei den planerischen Leitgedanken ist im Vorfeld oft von "Seele" und "Herz" der Stadt die Rede gewesen, die hier an diesem Platz erneut definiert werden soll. Es geht also um nichts Geringeres als um die Identität, um das Gesicht im Kernbereich Dresdens. Viele fragen sich, mit welchem Image, mit welchem Bild soll sich die Stadt hier präsentieren? Um diese Frage zu beantworten sind evtl. Überlegungen über die besondere Mentalität der Stadt hilfreich. Neue Fragen stellen sich dann.

Was ist denn die besondere Ausstrahlung von Dresden? Welcher eigenwillige Geist lässt sich in der ehemaligen Residenzstadt heute noch spüren?
Lässt man einmal die realsozialistischen Hinterlassenschaften der inzwischen größtenteils sanierten Plattenbauten einmal beiseite und besinnt sich auf eine bis in die 1930er Jahre tradierte Baukultur, entdeckt man z.B. in und an den noch vorhandenen historischen Gebäuden in Dresden ein ganz eigenes Schmuckbedürfnis. Dieses Streben nach Ausschmücken zog sich seit der großen Blütezeit der Renaissance über das goldene augusteische Zeitalter des Barocks, über Biedermeier und Jugendstil bis ins 20. Jahrhundert. Ja, noch immer strahlt die besondere Dresdner Muse trotz aller vergangenen Katastrophen genügend Heiterkeit und Freude aus. Selbst an den Wandmosaiken und Friesen der sozialistischen Gebäude kann man ein Bedürfnis nach Schmückendem ablesen.

Gleich nach dem Krieg begann man mit dem Wiederaufbau des Zwingers - noch vor dem Bau von Wohnhäusern. Skulpteur 1947 bei der Neufertigung einer PutteIn einer fortlebenden Dresdner Festkultur steckt ein tiefer Hang zur Lebenslust, zur opulenten Sinnenfreude, ja zu einer Sinnlichkeit, die durchaus auch erotisch gefärbt sein kann. Man schaue sich nur den Zwinger an. Wohl in keiner anderen deutschen Barockstadt wäre so ein verrücktes, überquellendes, fantasiereiches Bauwerk denkbar als in Dresden. Man lasse die barocke Inszenierungskunst im Nymphenbad auf sich wirken mit den halbnackten Nymphen, den tanzenden Faunen, den sprudelnden Wasserspielen. Hier in Stein gegossen, unzählige Male restauriert, klingt dieser musizierende Dresdner Geist fort. So viel verschwenderische Pracht, so viel Genuss, so viel überschwängliche liebenswürdige Freude und Heiterkeit - das gibt es sicher ähnlich in Sanssouci, in Würzburg, Wien oder in anderen Barockstädten. Aber einer der unbestrittenen europäischen Höhepunkte üppiger Festkultur mit ihren berühmten rauschenden Festen, mit einer hedonistischen, diesseitsorientierten, eben "barocken" Lebensfreude - war Dresden. Auch wenn es die Mittel zeitweilig bei weitem überstieg, so ist die barocke Sinnenfreude aus Dresden heute weltweit zum Mythos geworden. Die große Ausstellung "The Glory of Baroque Dresden" 2004 in Jackson/ Mississippi wird unter anderem davon künden. Ebenso wird man zum 800-jährigen Stadtjubiläum Dresdens 2006 verstärkt nach einer unvergänglichen Identität, einem kontinuierlichen roten Faden in der wechselvollen Geschichte der Stadt suchen und ihn u.a. in jener lebensfrohen Sinnlichkeit entdecken.

Dresden ist anders als Hamburg, Frankfurt oder Berlin. Dresden ist gelöster, lieblicher, mit einer gewissen Weichheit und Nachgiebigkeit. Dresden hat viel mehr Sentiment als Ratio. Doch gerade das macht auch das Anziehende dieser "schönen Stadt" aus.
Aber auch dieses seltsame Gemütliche ist im Charakter des Orts. Da steckt nicht nur Behaglichkeit, Ungezwungenheit und gemächliche Ruhe darin, sondern eben auch Gemüt - etwas, was in der NS-Zeit furchtbar missbraucht wurde und dennoch in der von der Romantik um 1800 geprägten Stadt weiterlebt.
Dresden ist verspielt mit einem gewissen Esprit, mit einer ganz besonderen Lebhaftigkeit im Temperament. Verschiedenste Einflüsse kommen zur Geltung: die politische Nähe der Wettiner zum Habsburger Reich nach Wien, der lokale Austausch zur böhmischen Hauptstadt Prag und natürlich jene Jahrhunderte währende inspirierende italienische Quelle, die Dresden immer wieder neue Impulse gab. Selbstverständlich kommen französische Einflüsse dazu. Deutsche Höfe schielten immer nach Versailles.
Zudem: ein hochgebildetes jüdisches Bildungsbürgertum von Kaskel-Oppenheim bis Arnhold gab der Stadt wichtige Impulse. Aber auch Exilpolen, später dann Engländer, Russen und Amerikaner lebten in eigenen Communitys Jahrzehnte in Dresden, bis der Nationenwahn im I. Weltkrieg alles hinwegfegte. Diese besondere offene Mischung prägte die Dresdner und die Kunst in dieser Stadt.

Dame, reitend auf einer Sphinx - vom ehemaligen Brühlschen Garten, jetzt am Standort des ehem. Belvederes.Dresden war selten nüchtern.
Das kann man durchaus im mehrdeutigen Sinne verstehen. Nicht nüchtern in der Beurteilung der realen politischen Lage. Nicht nüchtern und abgeneigt gegen die Freuden und Genüsse des Lebens und nicht nüchtern in der Art sich zu kleiden, in der Art Porzellan zu bemalen, in der Art Musik zu spielen, in der Art Häuser zu bauen. Die Dresdner Bürger wollten es dem höfischen Adel nachahmen, auch wenn sie sich in Zeiten der Romantik auf eigene Werte besannen. Bis in die Alltagskultur hinein lässt sich diese Durchdringung, diese Symbiose von vornehmem Bürgertum und adliger Hofhaltung im Dresden des 18. und 19. Jahrhunderts nachweisen.

Diese sinnenfrohe Ausgelassenheit, dieser Hang zur Lebens-Lust und zum Lustigen findet man in den Pretiosen des Grünen Gewölbes, in den Aufzeichnungen über die derben Späße des Hofnarren Fröhlich, findet man in den Jagd- und Lustschlössern Pillnitz, Moritzburg und Großsedlitz, aber auch in den Villen des 19. Jahrhunderts an der Elbe, in Blasewitz und Loschwitz. Es ist etwas Unaggressives, Heiteres, Fröhliches in der Mentalität.

In der barocken Sinneslust, im luxuriösen und doch vornehmen Dekorieren der Häuserwände, der Höfe und Palaisfassaden findet sich wenig von einer engen puritanischen Sittenstrenge. Nein, hier spürt man einen weltlichen, die Schau-Lust befriedigenden Katholizismus, der sich mit einem aufgeschlossenen protestantischen Gestaltungsdrang verbindet.
Barock im konfessionell übergreifenden Dresden war mehr als die Antwort der katholischen Gegen-reformation auf den strengen, moralisch-integren und wahrheitsfanatisch wirkenden Protestantismus im Norden Deutschlands. Er war eine Lebenshaltung.
Natürlich darf man dabei die pietistischen Strömungen von Sparsamkeit und vernünftiger Wirtschaftlichkeit nicht vergessen. Ein berechtigter Einwand, der auch heute durchaus Gültigkeit besitzt. Aber die Frage steht trotzdem im Raum - was ist uns Kulturschöpfung im 21. Jahrhundert wert, was investieren wir in Kunst? Was investiert der Investor - neben Archäologie und Tiefgarage - in Kunst am Bau? Ist uns so etwas Sekundäres wie künstlerisches Schmücken in einer Zeit, die um ökonomische Stabilität ringt, wichtig?

Mozartbrunnen auf der BürgerwieseStellt man diese Frage in Zusammenhang zurückliegender Krisenzeiten, wird dieses kontinuierliche Element der Dresdner Ausstrahlung deutlich. Nach dem 30-jährigen Krieg 1648 lag die Stadt durch Hunger und Pest Jahrzehnte am Boden. Ein Jahrhundert später zerschossen 1760 preußische Truppen ein Drittel der gesamten Innenstadt. Die darauf folgende Zeit der Stagnation hielt bis etwa 1840 an. Verwerfungen nach dem I. Weltkrieg stürzten auch Dresden in eine orientierungslose Zeit. Schließlich die entbehrungsreichen Nachkriegsjahre, der Schock über die verheerenden, bis heute unfassbaren Verwüstungen durch die Brandnacht im Februar 1945. Doch all das hat den Charakter, den Ausdruck von schmückender, optimistischer Lebensfreude in dieser südlich-heiteren Stadt bis heute nicht wirklich brechen können. Die Topographie der urbanen Situation mit seinem geschwungenen Elbstrom und den sanften Berghängen widerstrebt dem Denken in rechten Winkeln.

Auch wir Heutigen sollten uns bei der Neuformulierung des Kerns unseres Gemeinwesens mehr auf die konkreten, typischen Merkmale des Orts besinnen, als auf allgemeine, abstrakte theoretische Ideale moderner Ideologien, wie es in den zurückliegenden Jahrzehnten der Fall war. Als historische "Zitate" sind im Umfeld des Dresdner Neumarktes etwa 60 sogenannte "Leitbauten" geplant, die Orientierung und Maßstab für die anderen ca. 240 Neubauten des Neumarktviertels geben sollen. In diesen Neubauten, zuweilen als "Füllbauten" diffamierte Gebäude, zwischen Brühlscher Terrasse und Altmarkt sollte sich nicht in jedem Fall der "Charme nüchtern-sachlicher Zurückhaltung" ausbreiten, um die Frauenkirche im vollen Glanz erstrahlen zu lassen.
Nein - gerade in den künstlerischen Details von Innenhofbrunnen, Schlusssteinen, Figuren, Reliefs oder anderer durchaus auch modernerer Verzierungen könnte sich eine humanere Welt, die über die alltägliche Bedürfnisbefriedigung von Wohnen, Shoppen und Büroarbeit hinausgeht, widerspiegeln. In einer Neubelebung des schmückenden Ornaments, in der Wiederentdeckung des Freude spendenden Dekorierens liegt ein ungeheures Potential für die Selbstfindung dieser im Unterbewusstsein anhaltend erschütterten, traumatisierten Stadt und ihrer Bürger.

50er Jahre Ornamentik in den Spiegelfeldern an der Fassade der Wohnbauten Altmarkt- Ostseiteornare [lat.] = schmücken
Sicher - die Kunst des Gestaltens mit Ornamenten ist in Deutschland und der westlichen Welt so gut wie zum Erliegen gekommen. Ornamentik wird weder im Architekturstudium als Fach gelehrt noch wird es in den Kunsthoch- und Designschulen angeboten. Eine Jahrhunderte währende Kunstgattung ist vom Aussterben bedroht oder gilt bereits als nicht mehr existent. Doch diese Kunst gilt es wiederzuentdecken, wie es bereits Tatoo-Künstler oder Graffitti-Sprayer tun. In der Architektur können dabei auch neue Formen des Schmückens Verwendung finden, die mehr unserem Zeitgeschmack treffen. Auch der historisierende Wiederaufbau in Danzig oder München verwendete nach 1945 zur Ausschmückung Ornamente und Figurendarstellungen im Stil der Zeit. Mittlerweile liebt man diesen früher als Kitsch verunglimpften Zierrat. Warum also nicht heutige Kunstmittel zum Dekorieren einsetzen, z.B. als Einzelelement anstatt einer Illusionsmalerei ein dreidimensional scheinendes Hologramm wagen oder von der Computerkunst bearbeitete Fraktale?

An den neuen Häusern, die keine Rekonstruktionen sein werden, könnte sich eine Architektenschaft versuchen, die als Bau-Meister den künstlerisch anspruchsvollen Bau wieder als Gesamtkunstwerk begreift, in dem verschiedenste Künste fachübergreifend aufeinander treffen. Gartengestaltung in den Hofbereichen, bildende Kunst in und am Bau, Innenarchitektur für "tanzende" Eingangshallen, Ingenieurkunst für innovative technische Lösungen wie z.B. ein "schwingendes" Treppenhaus.

Bisheriger Leitgedanke des "denkmalpflegerischen" Gesamtkonzeptes vom Sanierungsgebiet Neumarkt ist die Annäherung an die historische Ausprägung eines geschlossen wirkenden spätbarocken Platzbildes um 1800. Erklärtes Ziel ist ein Eindruck von einheitlicher Homogenität. Übersehen wird dabei allerdings, dass der sächsische Kurfürst August II. durchaus in seinen strengen Bauordnungen Freiraum für Individualität gewährte. Unterschiedliche "Handschriften" von Starcke, Fehre d. Ä, Bähr, Georg Hase, Lounguelune, Pöppelmann prägten den Raum. Später wurden dann früh- und hochbarocke Palaisbauten von Bürgerhäusern mit einer als "sparsam" beschriebenen Dekoration nach 1760 ergänzt. Diese Zeit des Zopfes und des Klassizismus, der sogenannte Dresdner "Hungerstil" mit seiner einfachen Noblesse, wie es Fritz Löffler in "Das alte Dresden" formuliert, hatte der Gestaltungsmode und der Not der Stunde gehorchend relativ einfache Verzierungen hervor gebracht. Aber muss man diese historisch gebundene Einfachheit heute auf eine völlige Reduktion zuspitzen und kritiklos übernehmen? Entspricht sie unserer Sehnsucht, unseren Bedürfnissen nach wärmendem Dekor in einer allzu oft als kalt empfundenen, entemotionalisierten gebauten Umwelt?

"Schlichte Putzbauten" heißt es in den Empfehlungen für all jene Wohn- und Geschäftshäuser am Neumarkt, die keine Repliken sein werden, aber Stil und Duktus der Vorgängerbauten aufnehmen sollen. Was jedoch die ersten Entwurfsergebnisse des Wettbewerbes an der Töpferstraße zeigen sind gänzlich schmucklose Fassaden. Mag ein gestaffeltes Glasdach den herrlichen Blick auf den atemberaubenden konkaven Schwung des Kuppelansatzes der Frauenkirche freigeben, ein schmückendes Element ist das noch lange nicht.

Auch wenn die Neubauten von Pfau, Diemer, Bachmann, Wörner und von Döring durchaus solide Entwürfe darstellen, die Aneinanderreihung von völlig nüchternen, "preußischen", unkünstlerischen Gebäuden kann nicht die richtige Lösung sein, den besonderen musischen Charakter der Stadt neu zu beleben. Einfallslosigkeit, Langweile, bekenntnislose intellektuelle Kühle sind die Folgen solcher nichts erzählenden, nichts auslösenden "Füllbauten". Eine Ödnis und innere Armut spiegelt sich in leeren Lochfassaden. Mag sein, dass die gezeigten Wettbewerbsergebnisse noch nicht die letzte Detailtiefe beinhalten. Aber etwas ganz Wesentliches scheint bereits jetzt in den Vorgaben von Stadtplanung und Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden zu fehlen: der deutliche Hinweis und Wunsch etwas künstlerisch Inspiriertes diesem Platz wieder einzuhauchen, ihm eben seine Seele wieder zu geben.

Der Weg dahin kann nicht nur darin liegen, alte Rokoko- Rocaillen an industriell gefertigte Fassaden anzukleben und so quasi das ganze Neumarktviertel auf barock zu schminken.
Neue handwerkliche Arten der Verzierungskunst mit Feinheit und Delikatesse im gestalteten Detail sollten zumindest als "Leitbild" angestrebt werden. Etwas Noblesse mag heute zugunsten einer erlebnisorientierten Eventgesellschaft mit einem gewissen Spaßfaktor zurücktreten. Eine upper Class, eine ernst zu nehmende Nobility ist im sozialdemokratischen Gefüge bundesdeutscher Realität östlicher Prägung so nicht mehr vorhanden. Aber eine beschwingende Heiterkeit - das ist es, wonach die egalitäre Gesellschaft, wonach Dresdner und Gäste in den letzten 13 Jahren nach der Wende vergeblich in den neuen Gebäuden der "Altstadt" suchen.

Der Altmarktarchitekt Herbert Schneider und unbekannt gebliebene Bildhauer haben es in den 50er Jahren mit ihren sozialistisch-neubarocken Gebäuden gezeigt, wie man mit Sandsteinfiguren, Kupfer (ja- grüne Kupferdächer haben in Dresden auch Tradition), schmiedeeisernen Gittern Gebäude zum Leben bringen kann. Auch wenn das Ergebnis in seinen viel zu großen Dimensionen nicht gänzlich Einige Beispiele für die Eleganz der Treppenhäuser in den 50er und 60er Jahrenbefriedigt, ist doch hier ein hohes Orientierungspotential für junge Architekten vorgegeben, dem besonderen Spirit der Stadt gerecht zu werden. Auch Gerkan, Mark & Partner haben mit ihrem Geschäftshaus 1999 auf diese Bauten leider auch nur mit schmuckloser Nüchternheit geantwortet. Doch in den Wettbewerbsvorgaben zur Altmarkt-Süd- Bebauung wurde ebenfalls nicht auf eine künstlerische Ausschmückung Wert gelegt.
Um es deutlich zu sagen, es geht gar nicht um Neobarock im 4. Aufguss. Es geht um das Thema "Schmücken" im Allgemeinen, schmücken im ablesbaren Detail und nicht in einer bauplastischen Form im Baukörper selbst.
Swingende Treppenhäuser am Altmarkt



Wir alle kennen die Aversionen moderner Architekten gegen das als hoffnungslos altmodisch verschrieene Ornament. Noch immer wirkt im Bewusstsein vieler Architekten der Überdruss des vermeintlich obszönen, zügellosen Dekorations-"Schwulstes" der Gründerzeit nach, dem die klassische Moderne eine Reduzierung der Formen auf das Wesentliche entgegengesetzte und auf jeden überflüssigen "Schnörkel" verzichtete. Gerade in Dresden kannte die Dekorationsbesessenheit keine Grenzen, wie man in den historischen Aufnahmen des neubarocken Kaiserpalastes am Pirnaischen Platz oder dem Zentraltheater von Lossow und Viehweger im rauschenden Neorokoko erkennen kann. Doch heute, ca. 80 Jahre nach den bahnbrechenden Neuerungen von Mies van der Rohe, Behrens und Le Corbusier, scheint die nüchterne Moderne für den wiedererstehenden Neumarkt ein ungeeignetes Gestaltungsmittel.Purismus und Askese scheint ein geschmackloser Kontrast und hohler, leerer Spiegel zur Sinnenfreude des Barocks zu sein.
Zu lockern ist auch eine Angst, insbesondere eine deutsche Angst, als nostalgisch und rückwärtsgewandt abgestempelt zu werden. Dieser Angst muss entgegen gewirkt werden. Man muss es laut artikulieren - Menschen haben ein Recht, sich, ihr Haus und ihre Stadt zu schmücken. Wir brauchen uns dessen nicht zu schämen.
1957 - Figur des Gambrinus  [sagenhafter König, angebl. Erfinder des Bieres] von der 1958 abgerissenen "Gambrinus Gaststätte" am Postplatz.  In welchem Depot mag diese hübsche Figur schmoren?
Gefragt sind in diesem Zusammenhang auch Bildhauer, die menschliche Figuren plastisch darstellen können. Müde der oft unverständlichen abstrakten, geometrischen Zeichen regt sich zunehmend eine Sehnsucht nach Widerspiegelung eines konkreten, heutigen human geprägten Menschenbildes. Auch das mag in der bildenden Kunst heutzutage nicht gerade en vogue sein. Trotzdem sollte gerade bei dieser so herausragenden Bauaufgabe über das alltägliche Bauschaffen hinausgedacht und ein Anknüpfen an die reiche Dresdner bauplastische Tradition von Walther, Permoser, Thomae, Schilling, Rietschel, Hähnel, Diez, Georg Wrba bis zu Macolis in Erwägung gezogen werden.

Wie eigenwillig große Architekten mit dem Thema Barock in Dresden umgegangen sind, zeigt z.B. Gottfried Semper. Auch an seinem Schaffen können wir uns heute orientieren. Mit Selbstbewusstsein und einer unangefochtenen Meisterschaft schuf der leidenschaftliche Baumeister direkt neben dem zierlichen Zwinger sein stolzes Galeriegebäude. Die Verbindung der sprudelnden, flirrenden Barockornamente mit den strengen Linien abgezirkelter Neorenaissance ergeben hier keinen Bruch, sondern ein harmonisches Zusammenspiel.
Ladenausbau im Neorenaissancestil für den Hofjuwelier Elimeyer von Gottfried Semper am Haus Neumarkt 14Ein weiteres Zeugnis seiner genialen schöpferischen Kraft findet sich in den pompejanisch inspirierten Ausmalungen der ehemaligen Antikensäle im barocken Japanischen Palais. Auch diese Ornamentik wird nicht als Fremdkörper empfunden, sondern fügt sich diskret und in adäquater Form in den Bau ein.
Ähnlich am Neumarkt: Dort entwarf Semper 1840 für den Hofjuwelier Moritz Elimeyer den Ladenausbau am Haus Neumarkt 14. Selbstverständlich verwendete der Architekt, der gleichermaßen Künstler, Innenausstatter und Ingenieur war, keine barocken Formenelemente, sondern suchte nach neuen schmückenden Lösungen für das elegante Geschäft. Die Feinheit der filigranen Formen italienischer Frührenaissance unterstützte aber in jeder Weise den festlichen und gehobenen Charakter des Platzes, ohne sich massiv und unsensibel in den Vordergrund zu drängen.

kosmeion [griechisch] = ordnen, schmücken
Semper gilt übrigens nicht nur als ein Vorkämpfer der Moderne, in dem sich die Tektonik eines Gebäudes der Funktion unterordnen sollte, sondern auch als ein äußerst kenntnisreicher Wissenschaftler der Verzierungskunst. In seinem 1856 veröffentlichten Aufsatz "Über die formelle Gesetzmäßigkeit des Schmuckes und dessen Bedeutung als Kunstsymbol" heißt es gleich zu Beginn:

Die reiche und präzise Sprache der Hellenen hat dasselbe Wort zur Bezeichnung des Zierrates, womit wir uns und die Gegenstände unserer Neigung schmücken, und der höchsten Naturgesetzlichkeit und Weltordnung. Dieser tiefe Doppelsinn des Wortes [Kosmos] ist gleichsam der Schlüssel hellenischer Welt- und Kunstanschauung. Dem Hellenen war der Schmuck in seiner kosmischen Gesetzlichkeit der Reflex der allgemeinen Weltordnung, wie sie uns in der Erscheinungswelt den Sinnen fasslich entgegentritt, er galt ihm als allgemeinverständliches, sich selbst erklärendes Symbol der Naturgesetzlichkeit auch in der bildenden Kunst, der Architektur, überall als wesentliches Element der formellen Ausstattung erscheint. Die Ästhetik der Hellenen, soweit sie das Gesetzliche des Formell-Schönen betrifft, fußt auf den einfachen Grundsätzen, die beim Schmücken des Körpers in ursprünglichster Klarheit und Fasslichkeit hervortreten.

In der Antike wurde also Schmücken als fester, integraler Bestandteil des Lebens und Bauens betrachtet, deren ritualisierter, religiöser Charakter sich jedoch im Lauf der modernen Geschichte immer mehr verweltlichte. Semper wollte mit den Ausschmückungen seiner Gebäude an seine Idealwelt der Griechen anknüpfen und in einer zunehmend industrialisierten Welt des 19. Jahrhunderts einen ideelen Gegenpol setzen.

Das Jahrhundert ging jedoch andere Wege. Zugunsten industriell gefertigter Massenproduktionen erlebte die HANDwerkskunst einen fulminanten Niedergang, den auch Neugründungen wie die Hellerauer Werkstätten oder das Bauhaus nicht aufhalten konnten. Gerade das ursprünglich Weimarer Bauhaus war ja eigentlich angetreten, sich auf eine seit dem Beginn der Industrialisierung oft vernachlässigte handwerkliche Akribie zu besinnen. Das forderte nicht nur Walter Gropius, sondern auch Wassily Kandinsky, als Leiter der Werkstatt für Wandmalerei, Sgraffito und Fresko oder Oskar Schlemmer (Leiter der Bildhauerei), dessen glanzvoll (abstrakt) dekorierten Bauhausfeste große Berühmtheit erlangten.
Das Schmückende, das mit Geist Gefüllte eines Bauwerkes forderten die Bauhausutopisten in ihrem expressiven Gründungsmanifest 1919, von dessen Utopie wir heute mehr denn je entfernt sind:

Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau! Ihn zu schmücken war einst die vornehmste Aufgabe der bildenden Künste, sie waren unablösliche Bestandteile der großen Baukunst. Heute stehen sie in selbstgenügsamer Eigenheit, aus der sie erst wieder erlöst werden können durch bewußtes Mit- und Ineinanderwirken aller Werkleute untereinander. Architekten, Maler und Bildhauer müssen die vielgliedrige Gestalt des Baues in seiner Gesamtheit und in seinen Teilen wieder kennen und begreifen lernen, dann werden sich von selbst ihre Werke wieder mit architektonischem Geiste füllen, den sie in der Salonkunst verloren. (...)
Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück! Denn es gibt keine "Kunst von Beruf". Es gibt keinen Wesensunterschied zwischen dem Künstler und dem Handwerker. Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerkers. Gnade des Himmels läßt in seltenen Lichtmomenten, die jenseits seines Wollens stehen, unbewußt Kunst aus dem Werk seiner Hand erblühen, die Grundlage des Werkmäßigen aber ist unerläßlich für jeden Künstler. Dort ist der Urquell des schöpferischen Gestaltens. Walter Gropius


In Dresden bewies das frühe 20. Jahrhundert ein sensibles Einfühlungsvermögen in die Besonderheit der musikalischen Stadt und speziell in die Weiterentwicklung des Dresdner Festplatzes. Führend waren die Werke des damaligen Baustadtrates Hans Erlwein. An seinen Neubauten am Altmarkt wie die Löwenapotheke (1914), das Beutlerhaus (1914), das Stadthaus am Beginn der Kreuzstraße (1913), aber auch in seinen Ladenumbauten für das Neustädter Rathaus kombiniert der Architekt elegantes Dekor seiner Zeit im New Empire Styl mit neobarocken Elementen. Die Gebäude selbst lassen auf eine intensive Auseinandersetzung mit dem typischen festlichen Charakter des Dresdner Barockbürgerhaus schließen.

Regenspiele im Hof der Metamorphosen von Arend Zwicker.  Sicher wäre diese Dekoration am Neumarkt zu flippig, aber sie ist künstlerisch durchaus von großer Originalität. Diesen besonderen schöpferisch kreativen Geist Dresdens findet man heutzutage am ehesten in der Neustädter Kunsthofpassage zwischen Alaun- und Görlitzerstraße. In einer beglückenden Harmonie gelang es hier durch das wundervolle kommunikative Zusammenspiel von Architekten, Künstlern, Bauherrn, Banken, Ladenmietern und Anwohnern eine künstlerisch befriedigende Antwort auf die Frage zu geben - was ist heute "barock"? Hier findet man sie: eine überquellende Fantasie, eine ganz eigene Originalität, Poesie, eine effektvolle Inszenierungskunst der Überraschung, die der des Barockzeitalters alle Ehre macht, feine Ironie und subtiler Witz und eine vollendete künstlerische Meisterschaft im Detail - geschaffen von Dresdner Künstlern. Die Kunsthofpassage ist inzwischen eine der unangefochtenen touristischen Attraktionen in der Äußeren Neustadt. Einmalig, heutig, zeitgemäß. Insofern kann man eben heute eine "barocke" Lebenshaltung nicht mit Schwulst und Dekadenz gleichsetzen, sondern mit einer Fülle von Geist und mit einer üppigen Geschmeidigkeit des Schaffens.

Insofern ist das "Blumenhaus" des Architekturbüros Behnisch, Behnisch &Partner durchaus ein erster, erfreulicher Ansatz, wie man mit heutigen Mitteln eine Fassade zum lebendigen Leuchten bringen kann. Auch wenn der Baukörper mit einem zu hohen Glasanteil durchaus Anlass zu konstruktiver Kritik bietet, die Gestaltungssatzung ungewöhnlich frei interpretiert wurde, die Farben etwas zu stark und bonbonhaft geraten sind und die Blumenmotive in einer ersten Skizze der Architekten noch zu großflächig wirken - die schöpferische, zeitgemäße Neuinterpretation von Sinnlichkeit ist eine gesunde, selbstbewusste Antwort unserer Zeit auf die hohe Gestaltungsqualität des Barockzeitalters.
Auch sollte man an dieser Stelle daran erinnern, dass der etwa 1840 aufgekommene Begriff "Barock", ursprünglich als herablassendes Schimpfwort vom Klassizismus geprägt, mit "unregelmäßig" und "schief" übersetzt wird, aber auch mit "seltsam" und "wunderlich".

Es geht also nicht lediglich um die künstliche Wiederherstellung entschwundener Gebäude, sondern durchaus auch darum, wie unsere Zeit diesen besonderen Dresdner Geist von Anmut und Heiterkeit, von Erfindungsreichtum, von Sinnenfreude und Witz mit heutigen Mitteln auszudrücken versteht. Diesen Genius Loci wieder zu beseelen in einer fruchtbaren Einheit von kunstsinnigem Bauherren, verantwortungsbewussten Architekten und inspirierenden Künstler - das sollte der Anspruch sein, den unsere Zeit an diesem Platz, von dem vielerlei Signale in die Welt ausgehen, stellt.

  Der Weg sollte also meines Erachtens sein: Keine gewaltsame Implementierung von schmuckloser Moderne. Aber auch Zurücktreten von einer dogmatischen, orthodoxen Wiederherstellung und Inszenierung eines idealisierten spätbarocken Zustandes zugunsten größerer künstlerischer Freiheit, zu mehr schöpferischer Anregung für einen Stadtraum der Entfaltung eines "barocken Lebensgefühls". Natürlich ist damit nicht Folklore, Dekadenz und Verschwendungssucht gemeint. Es ist der Versuch, den Begriff "barock" mit einem neuen, für Dresden konstruktiven Wortsinn zu deuten. Denn in Dresden ist nun mal trotz Krieg und sozialistischer Geschichtsauffassung der Nachhall aus der großen Zeit des Barocks durchaus hörbar. Ohne die Barockzeit wäre heute Dresden nicht Dresden, sondern ein völlig unbedeutender Ort. Es hilft nicht, davor die Augen zu verschließen, wie es nichts hilft, die heutige gesellschaftliche und gebaute Realität zu ignorieren. Beiden Seiten sollte man sich stellen.

(links: Goldener Rathausmann: "Genius der Stadt" - mit Füllhorn, die Stadt beschirmend. Von Richard Guhr 1910, Aufn.: Hahn, 1963)

Der bisher hart errungene Konsens einer Gestaltungssatzung, keine aufdringlichen Selbst-inszenierungen egomanischer Architekturen zu dulden, um dem kostbaren Platz seinen Gesamtklang nicht zu rauben, wird dadurch keineswegs in Frage gestellt. Auch einer der originellsten Architekten unserer Zeit, der Kalifornier Frank Gehry, müsste sich, würde man ihn nach Dresden einladen, an die Satzung halten.Allerdings würde ich ihm schon ein geschwungenes Kupferdach zugestehen - ohne "Fledermausgaupen".

Das alles mag eine riesige Herausforderung sein - für Planungsbehörden, Bauherren, für Künstler, für uns Stadtbürger und insbesondere für die deutsche und internationale Architektur. Aber - wir dürfen nicht vergessen, am Dresdner Neumarkt geht es um die Neuschöpfung eines übergreifenden Kunstwerkes, um eine Kulturleistung von außergewöhnlicher Art. Der künstlerische Aspekt sollte deswegen nicht ausschließlich aus renditeorientiertem Gewinnstreben erwachsen, sondern auch aus einem natürlichen Bedürfnis nach authentischem, künstlerischem Ausdruck unserer und zurückliegender Zeit.
Von den barocken Baureglements August des Starken lernen heißt für uns heute am Neumarkt: Kunst sollte wieder mehr Diener einer gemeinschaftlichen Gesamtidee sein, statt Zweck rücksichtsloser Selbstverwirklichung. Doch dazu braucht es Mut. Mut, sich einerseits einer Idee von Harmonie in einer Ensemblewirkung unterzuordnen, andererseits auch Mut individuelle künstlerische Kreativität zu ermutigen.

In diesem Sinn wäre ein Zusatz der Gestaltungssatzung für den Dresdner Neumarkt anzuraten, der eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema festliche Barockarchitektur allen Architekten anempfiehlt. Auch in den Ausschreibungsunterlagen zu künftigen Wettbewerben am Neumarkt sollte der explizite Wunsch auf eine künstlerische Ausschmückung enthalten sein. Spielraum für solch einen neuen künstlerischen Ausdruck wäre dann nicht der Baukörper als solcher, dem die Satzung in Höhe, Dachformen, Fensterachsen und -formen bereits recht klar einen Rahmen vorgibt, sondern Spielraum ließe sich in der Fülle von Möglichkeiten künstlerischer Details artikulieren - in Ornamenten und bildhauerischen Werken, in Portalen, Treppenhäusern, Ladenausbauten, Sonnensegeln, Brunnen und in vielem mehr, was uns überrascht, Freude bereitet und Schönheit aufblühen läßt.

So gesehen birgt das Projekt Neumarkt noch immer ein ungeahntes Potential, etwas über unsere Zeit zu erzählen.

Berlin, Januar 2003




Diskussions-Forum zum Thema "Schmücken, Plastik, Ornamentik und Moderne"



Material:



Ornamentstichvorlagen aus dem 15. - 19. Jahrhundert. www.ornamentalprints.eu
3 europäische Institutionen stellen ihre Bestände 2006/ 07 ins Netz: Staatliche Museen zu Berlin- Kunstbibliothek + UPM – Umeleckoprumyslové museum (Kunstgewerbemuseum) in Prag und das MAK + Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst in Wien

Mariá Ocón Fernández: Ornament und Moderne. Theoriebildung und Ornamentdebatte im deutschen Architekturdiskurs (1850 - 1930), Berlin 2004
Provokative Thesen der spanischen Kunsthistorikerin: Das Ornament sei ein konstitutives Element der frühen Moderne. / Nicht die Architektur, sondern das Kunstgewerbe war der eigentliche Motor der Reformbewegung. / Das Ornament ist nicht dauerhaft aus der Architektur auszuschließen.

Petra Schmidt, Annette Tietenberg, Ralf Wollheim: Patterns. Muster in Design, Kunst und Architektur, Basel 2005.
Das Buch stellt erstmals gattungsübergreifend verschiedene Zugriffe auf Muster vor und zeigt, welche Funktionen Dekore übernehmen können. Anhand von aktuellen Beispielen werden die vielfältigen Farben, Formen und Anwendungen vor den Augen der Leser ausgebreitet. (Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus dem Buchcover)



www.pattern-project.org
(Ausstellung & Symposium in Mannheim)

Das Pattern Project führt im Oktober 2006 Kunst und Wissenschaft zusammen. Es zeigt aktuelle künstlerische Arbeiten zum Themenkomplex Muster, Rhythmus, Ornament. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler liefern mit Fachreferaten neue Erklärungen für diese ästhetischen Phänomene, und die Kunst macht diese Erkenntnisse intuitiv zugänglich.

Jan Alexander Min- Su Usinger: ornaments - reanimated. Das zeitgenössische Ornament. Kitsch oder Poesie? Studienarbeit an der RWTH Aachen 2005 (pdf)

"... Pflege und Entwicklung der reichen Dresdner künstlerischen Traditionen verlangen
!"
von Prof. Hermann Henselmann, in: "Einige kritische Bemerkungen zum Wohnungsbau", in "Deutsche Architektur" 2/ 1952

"Avantgarde contra Traditionalismus" - Weltausstellung 1937 in Paris unter dem Motto "Kunst und Technik im modernen Leben": Gründe, warum das Dekorative aus dem modernen Leben verschwand. Auch eine Initiative arbeitsloser Künstler in Frankreich zu mehr Aufträgen für Fassadenmalerei scheiterte.


Ornament ist kein Verbrechen
Im Jahr seines 200. Geburtstages sind Werk und Lehre des Architekten Gottfried Semper aktueller denn je. Dankwart Guratzsch in "Die Welt" vom 07.12.2003

Ornament und Versprechen. Was die neuen Tapeten, Muster und Schnörkel in Kunst und Architektur über unsere Zeit erzählen. FAZ vom 26.10.03

Interwiev mit Kaspar Krämer -
(Präsident des Bundes Deutscher Architekten) über den Begriff der Schönheit in Bezug auf die moderne Architektur ("Die Welt" vom 26.02.2002)

Semper, Gottfried: Über die formelle Gesetzmäßigkeit des Schmuckes und dessen Bedeutung als Kunstsymbol, Zürich 1856
ders.: Über das Verhältnis der dekorativen Künste zur Architektur
ders.: Über Baustile, Wien 1869

Loos, Adolf: Ornament und Verbrechen, verfasst 1908
        ders.: Ornament und Erziehung, 1924
ders.: Die Potemkinsche Stadt, 1898

Oettermann, Stephan: Zeichen auf der Haut. Die Geschichte der Tätowierung in Europa. 2. Auflage Hamburg 1994 [1985]

Ornament und Abstraktion. Kunst der Kulturen, der Moderne und der Gegenwart im Dialog. Ausstellung 2001 in Basel

Jörg H. Gleiter: Rückkehr des Verdrängten. Zur kritischen Theorie des Ornaments in der architektonischen Moderne, Weimar 2002


Wagner, Otto: Moderne Architektur, 1898

Ebe, Gustav: Versuche in moderner Bau-Ornamentik , In: Deutsche Kunst und Dekoration. - 9 (1901-02).

Taut, Bruno: Die neue Baukunst in Europa und Amerika, Stuttgart 1929

Winkler, Klaus-Jürgen: In der Wiege lag noch kein weißer Würfel. Zur Architektur am frühen Bauhaus,
in: Das Bauhaus und Johannes Ittgen, Berlin 1994

Bloomer, Kent: The nature of ornament. Rhythm and metarmophosis in architecture,
New York/London 2000

Gombrich, Ernst H.: Ornament und Kunst. Schmucktrieb und Ordnungssinn
in der Psychologie des dekorativen Schafffens, Stuttgart 1982

Müller, Michael: Die Verdrängung des Ornaments. Zum Verhältnis von Architektur und Lebenspraxis, 1977


Schütte, Ulrich: Ordnung und Verzierung. Untersuchungen zur deutschsprachigen
Architekturtheorie des 18. Jahrhunderts, Branschweig/Wiesbaden 1986

Moritz, Karl Philipp: Vorbegriffe zu einer Theorie der Ornamente, 1793 - Nachdruck: Nördlingen 1986

Krubsacius, Friedrich August: Kurze Untersuchung des Ursprungs der Verzierungen,
der Veränderung und des Wachstums derselben, bis zu ihrem itzigen Verfall.
In: Das Neueste aus der anmuthigen Gelehrsamkeit, Leipzig 1759

Behringer, Anton: Neuzeitliche Putzarbeiten. Innen und Außen. Ein Handbuch
für Architekten und Lehrer. Ravensburg 1968

Kitsch und Kunst in Dresden. Gedanken über "Angriff der Zuckerbäcker" - Von Thomas Kantschew
Berlin, Februar 2004




Schmücken, künstlerisches Gestalten von Fassaden - neue Beispiele:



Dresden


SZ-Verlagshaus



Schmückend Beleben durch Typographie

Die Sanierung des Verlagshauses der Sächsischen Zeitung an der Dresdner Ostraalle besticht im Detail durch eine künstlerische Bearbeitung der neuen Fassade. Unregelmäßig verstreut sind auf die beschichteten, grünen Fassadenplatten Texturen in lockerer Anordnung aufgedruckt. Die Buchstaben erinnern an die vorrangig textliche Kommunikation des Verlagshauses und im erweiterten Sinne an die Fortführung von Aufklärung in der Moderne.

Architekt: Martin Seelinger
Sanierung des Verlagshauses - 2003


Aggstall






Zurück zu Muster

"Ein Spiel mit dem Modischen und dem Demodierten, dem Strengen und dem Gemütlichen treiben die Münchner Architekten des Büros Hild und K. Sie bauten 2000 in Aggstall ein kleines Spitzdachhaus mit rautenförmig gemauertem Muster, das aussah, als hätte man ihm einen Norwegerpullover aus Steinfäden umgehängt. Kritiker und Kollegen waren verschreckt: Spitzdächer galten als Zeichen von Provinzialität, Muster auch. Obwohl deutlich geschmackswidrig, sah das Haus aber nicht bieder genug aus, um als Regionalkitsch abqualifiziert zu werden." http://www.hildundk.de

Berlin





Das Prächtige hält Einzug in die moderne Architektur:
In Berlin schmückte das Architekturbüro nbs tchoban voss den Vorhof eines Bürohauses auf dem Boulevard Unter den Linden mit kolossalen gelben Renaissance-Blumen.
Bildquelle: www.nps-tchoban-voss.de (siehe Berlin)


Rückseite der neuen Berliner Kunstakademie von Behnisch
Dekorierte Putzfassade

Rückseite der neuen Berliner Kunstakademie von Behnisch auf der Behrenstraße (neben Hotel Adlon) Jan./ 2003
Die strenge Lochfassade wird aufgelockert durch einen beschwingt-leichte Struktur in farbig eingefärbten Putz mit leuchtend gelben und creme Farben.


Gelnhausen / Hessen

Living Room, Gelnhausen



vorgestellt im Jahrbuch des Deutschen Architektur Museums (Frankfurt Main) 2002:
inspirierte Interpretation eines Altstadthauses
Living Room, Gelnhausen
Architekten: seifert/stoeckmann
www.formalhaut.de
Für dieses eigenwillige spitze Wohnhaus wurden 5 Künstler und ein Dichter eingeladen, die mit Poesie, Malerei, Skulptur, Licht- und Toninstallation ein kleines GesamtKunstwerk schufen.
Projektvorstellung und Bilder

deutschlandweit

Living Room, Gelnhausen



Frische, junge Tapetendesigner stimmen seit einiger Zeit den "Abgesang für die kalkigen weißen Zeitgeistveteranen" an. Ob diese munteren Innengestalter auch für neue geschmackvolle Außenwände taugen? Vom Kunsthandwerk gingen oft Impulse auf Architektur aus. Warum nicht für eine "Ästhetik-Reform" mal bei Textil- und Flächendesigner anfragen?

www.wonderwalls.de

http://www.berlin-tapete.de

Hannover

Niki  de saint Phalle






Niki de saint phalle:
Die Französin ist die Schöpferin der weltberühmten Nanas und auch eine wunderbar im Ornamentalen schwelgende Künstlerin. 2002 72-jährig verstorben, hinterließ sie eine Fülle sinnlicher Kunstwerke der Meisterklasse. So z.B. in Hannover mit der Grotte des Parks Herrenhausen, in der sie kongenial Barock mit modernem Schmücken verband. Mittels kleiner Steine, Spiegel und Glas wurden mosaik-artig die Innenwände verziert - eine ganz besondere Attraktion!

www.hannover.de
(historische Grotte)

www.nikidesaintphalle.com

Eine Grotte von Niki de Saint Phalle


Hamburg







Klassische Villenarchitektur

Baumeister der Harmonie - so könnte man den traditionell bauenden Hamburger Architekten Fridtjof Herzog bezeichnen. Bei ihm sieht die "Fusion von Alt und Neu" wirklich sehr geschmackvoll aus. Die Kategorien "Schönheit" und "menschliches Maß" kommen wieder verstärkt ins Bewußtsein. Vor schmückenden Verzierungen jenseits des rechten Winkels scheut sich der wagemutige hanseatische Baumeister nicht.

http://www.architekt-herzog.de

Architekturkritik "Die Welt"


Darmstadt







Fliessen, Kacheln, glasierte Ziegel

Nicht nur Sandstein und bemalte Spiegelfelder! Es gibt so viele Möglichkeiten, ein Gebäude würdig und sparsam zu verzieren. Orientierung für das Neumarkt- umfeld könnten auch Klassiker der Moderne geben, wie Peter Behrens' mit seinem Wohnhaus in der Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt oder J.M. Olbrich's Ausstellungsgebäude für Flächenkunst ebd. 1901.

http://www.mathildenhoehe.info


Griechenland

Keramik und Architektur

Der erste europäische Keramikwettbewerb in Griechenland, anläßlich der Olympiade 2004, beinhaltet auch eine Kategorie für CERAMICS AS EXPRESSION, also Keramik als Ausdruck. Erwartet werden auch neue Ergebnisse für angewandte Kunst am Bau. Diese erfrischende Neubelebung vom europäischen Kunstgewerbe verspicht einige belebende Impulse für die Kultur des Alten Kontinents zu bringen.
 
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